Pfeffer Simpelgotisch – geeignet zur Darstellung von Altem wie Neuem.
Pfeffer Simpelgotisch ist eine besonders schlicht gehaltene Variante der Textur, jener gebrochenen Schrift, die sich mit dem Aufkommen der Gotik ab dem 11. Jahrhundert über die gotische Minuskel aus der karolingischen Minuskel entwickelt hatte. Die Architektur einer Epoche spiegelt sich grob in ihrem vorherrschenden Schrifttyp wider: Den romanischen Rundbögen entsprechen die Rundungen der karolingischen Minuskel, während die Textur spitz und senkrecht wie der gotische Baustil ist. Dagegen atmet die Grotesk den Geist unseres Betonzeitalters, und die Antiqua muss wohl irgendwie für alles dazwischen stehen, von Renaissance bis Klassizismus. Dieser Erkenntnis folgend ist der Spitzbogen das wesentliche Stilmerkmal der ansonsten schmucklosen Pfeffer Simpelgotisch.
Gebrochene Schriften kennen das „s“ ja in zweierlei Gestalt – der runden („s“) und der langen („ſ“) -, deren Verwendung bestimmten Regeln folgt. Darüber hinaus verwenden sie Ligaturen, von denen einige zwingend sind. Die Besonderheit von Pfeffer Simpelgotisch liegt nun darin, dass ſ und s sowie die Ligaturen automatisch gesetzt werden, sofern das verwendete Programm OpenType-Funktionen unterstützt:
Deshalb, und weil sie auch in geringen Schriftgrößen noch leicht lesbar ist, eignet sich Pfeffer Simpelgotisch – zumindest auf schnellen Rechnern* – sogar als Systemschrift in Browser oder Betriebssystem.
Pfeffer Simpelgotisch enthält über 500 Glyphen, die hier nicht alle dargestellt werden können – darunter zahlreiche Akzentbuchstaben und andere Sonderzeichen. Soweit der Zeichenumfang reicht, richtet die Belegung sich nach den Empfehlungen der Medieval Unicode Font Initiative. Besonders hervorzuheben sind die zahlreichen Ligaturen, die alle automatisch gesetzt werden.
Pfeffer Simpelgotisch liegt bisher in den Schnitten normal, halbfett und fett vor. Da halbfette Schnitte von Microsoft Word bislang ignoriert werden, biete ich diesen Schnitt auch noch einmal als separate Datei an, worin er als eigenständige Schriftfamilie deklariert ist.
Pfeffer Simpelgotisch macht umfangreichen Gebrauch von OpenType-Funktionen. Standardmäßig sollten immer die Funktionen „clig“ und „liga“ aktiviert sein, um ſ und s sowie die Ligaturen richtig zu setzen. Im Einzelnen:
Die Funktion „clig“ (kontextabhängige Ligaturen) habe ich verwendet, um das Regelwerk für die richtige Setzung von ſ und s unterzubringen. Unterstützt werden zehn europäische Sprachen. Welche Regeln zur Anwendung kommen, richtet sich danach, welche Sprache in den Texteigenschaften hinterlegt ist (z. B. im Word- oder html-Dokument). Im Deutschen gilt die Regel, dass – von Ausnahmen abgesehen – stets am Silbenende s erscheint, während ansonsten ſ zu setzen ist. Diese Regel klingt einfach – kompliziert ist es aber, einer Maschine beizubringen, was eine Silbe ist! Abstrakte, allgemeingültige Grundsätze finden sich dafür nur sehr begrenzt, und so ließ es sich nicht vermeiden, dass das deutsche Regelwerk in Kasuistik ausartet. Es nimmt daher etwa 90 % der ganzen Funktion „clig“ ein, während die anderen neun Sprachen mit den übrigen 10 % auskommen. Zu danken habe ich Hans Georg Soldat †, dem Autoren des Ligaturix, der mir freundlicherweise eine lange Liste kniffliger Wörter zur Verfügung gestellt hatte. Leider starb er einige Monate zu früh, um noch von der Fertigstellung meiner Schriftart zu erfahren.
Die Regeln für das Niederländische sind rein experimentell; die Setzung von ſ und s ist dort genauso kompliziert wie im Deutschen, und um dies umzusetzen, fehlen mir die nötigen Sprachkenntnisse. Ich habe daher einfach die abstraktesten Grundregeln fürs Deutsche auch fürs Niederländische genommen – in der Hoffnung, dass sie auch dort von einigem Nutzen sind. Wesentlich leichter waren die Regeln für Englisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Latein umzusetzen, weil sie allein grafischen Gesichtspunkten folgen. Die Setzung von ſ und s hängt hier streng von bestimmten Buchstabenkombinationen ab, ohne dass es auf deren Bedeutung ankäme. Gerichtet habe ich mich nach der Darstellung auf Wikipedia.
Die Funktion „liga“ (Standardligaturen) dient zum einen der Setzung von Ligaturen. Diese erfüllen allerdings ausschließlich ästhetische Zwecke, indem sie Konsonantenhäufungen optisch auflockern oder Buchstabenpaare entspannter darstellen, die sonst eng aufeinander lägen. Abweichend von den Regeln des Fraktursatzes machen die Ligaturen von Pfeffer Simpelgotisch nicht an Silbengrenzen Halt, aber sie sind auch keine bloß zusammengerückten Buchstabenpaare, deren Verwendung über Kompositionsfugen hinweg sinnentstellend wäre. Pfeffer Simpelgotisch umfasst folgende Ligaturen:
Darüber hinaus korrigiert die Funktion „liga“ automatisch den häufig gemachten Fehler, Bindestrich anstelle von Gedankenstrich oder Minus zu setzen („www robert minus pfeffer net“ z. B. ist falsch!). Das ist wichtig, weil der Bindestrich gebrochener Schriften sich deutlich vom Gedankenstrich und vom Minus unterscheidet, denn er ist ja kein waagrechter Einzel-, sondern ein schräger Doppelstrich. Deshalb erkennt Pfeffer Simpelgotisch auch die häufigsten Emoticons und setzt sie grafisch um. Ferner werden bestimmte Kombinationen von „=“ oder „-“ mit „<“ und „>“ als Pfeile dargestellt und einfache Anführungszeichen (" ") durch typografische ersetzt („ “). Schließlich werden die häufigsten Brüche, wenn sie mit Schrägstrich getippt wurden, erkannt und mit ordentlichem Bruchstrich dargestellt. Es finden also folgende Ersetzungen statt:
Schließlich versucht Pfeffer Simpelgotisch so gut wie möglich, römische Zahlen zu erkennen und durch entsprechende Glyphen zu ersetzen, denn gebrochene Großbuchstaben eignen sich dafür ja nicht besonders gut:
Die Funktion „hist“ (historische Formen) bewirkt ein etwas älter erscheinendes Schriftbild. „Etc.“ wird durch ein eigenes Zeichen dargestellt, r nach runden Buchstaben wird durch seine runde Variante ersetzt, und an die Stelle der Diärese über den Umlauten tritt ein kleines e. In englischen Texten wird ſ zusätzlich auch vor b und k gesetzt, wie es im 17. Jahrhundert üblich war:
Da Microsoft Word die „hist“-Funktion nicht kennt, habe ich sie auch als Stilsatz „ss05“ verfügbar gemacht.
Zwei Gedichte über die Goten aus Franz Tetzner, Deutsche Geschichte in Liedern deutscher Dichter, Erster Teil. Von Pytheas bis Luther, Leipzig 1892, S. 43 u. 88. Gesetzt aus dem normalen und dem fetten Schnitt.
Kühles Bier. Ein Sommertagstraum! Gesetzt aus dem Fettschnitt.
Aus einer ‚wenig bekannten‘ Nibelungenhandschrift (Text nach Karl Bartsch/Helmut de Boor (Hrsg.)/Siegfried Grosse (Übers.); Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch; Stuttgart 2002). Gesetzt aus dem halbfetten Schnitt. — Zum „bewohnten Initial“ siehe hier.
Trotz aller Bemühungen ist die automatische Setzung von ſ und s noch bei weitem nicht perfekt. Wenn Sie also Fehler finden, wäre ich für eine kurze Mitteilung sehr dankbar!
Datei | Beschreibung |
pfeffer_simpelgotisch.zip | Eine simple Textur in drei Schriftschnitten (normal, halbfett und fett) und mit umfangreichen OpenType-Funktionen. |
pfeffer_simpelgotisch_halbfett.zip | Der halbfette Schnitt als eigene Schriftfamilie (wegen Microsoft Word). |
* Die ständige Anwendung des OpenType-Regelwerks bremst natürlich den Schriftaufbau und das System etwas aus. Ich will nicht ganz ausschließen, dass ältere Systeme mit Pfeffer Simpelgotisch als Systemschrift in die Knie gehen! Die Verwendung erfolgt daher auf eigene Gefahr.